EU-Entgelttransparenzrichtlinie – Handlungsbedarf für Arbeitgeber

EU-Entgelttransparenzrichtlinie – Handlungsbedarf für Arbeitgeber

Autor
Marlene Urek
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„Über Geld spricht man nicht“ heißt es in Deutschland gerne. Gespräche über Gehälter sind meist selbst innerhalb der Familie oder im Freundeskreis ein Tabu. Arbeitsverträge verpflichten Beschäftigte zur Verschwiegenheit über die Entgelthöhe. Das dürfte sich bald gravierend ändern. Die Höhe des Gehalts und insbesondere der Vergleich zwischen den Gehältern von Männern und Frauen für gleiche oder gleichwertige Arbeit wird 2026 in den Unternehmen und der Gesellschaft zum Thema werden. Dafür sorgt die Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie, die den „Gender-Pay-Gap“ in der Bezahlung von Männern und Frauen endgültig effektiv schließen soll. Diese Richtlinie muss bis zum 7. Juni 2026 in deutsches Recht umgesetzt werden.

Auf den ersten Blick wirkt die EU-Entgelttransparenzrichtlinie wenig spektakulär, da das deutsche Entgelttransparenzgesetz bereits jetzt gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit vorsieht. Tatsächlich bringt die Richtlinie jedoch erhebliche Neuerungen: Ab Juni 2026 gelten weitreichende Pflichten für alle Arbeitgeber, während bisher nur Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten betroffen waren.

Neue Auskunftspflichten nach der EU-Entgelttransparenzrichtlinie

Bislang waren nur Unternehmen mit über 200 Beschäftigten zur Auskunft nach § 10 EntgTranspG verpflichtet. Dies ändert sich nun durch die EU-Entgelttransparenzrichtlinie. Nach Art. 7 der EU-Entgelttransparenzrichtlinie haben Beschäftigte einen individuellen Auskunftsanspruch gegen den Arbeitgeber unabhängig von der Anzahl der Beschäftigten. Über dieses Recht muss der Arbeitgeber die Beschäftigten zudem jährlich informieren. Darüber hinaus müssen Unternehmen nach Art. 6 der EU-Entgelttransparenzrichtlinie Informationen darüber, welche Kriterien für die Festlegung des Entgelts, der Entgelthöhen und der Entgeltentwicklung verwendet werden, in leicht zugänglicher Weise zur Verfügung stellen.

Anforderungen an das Bewerbungsverfahren

Unternehmen werden auch ihr Bewerbungsverfahren auf den Prüfstand stellen müssen. Neben der Pflicht zur Führung eines diskriminierungsfreien Einstellungsverfahrens und zur geschlechtsneutralen Ausschreibung von Stellen muss das Einstiegsgehalt oder dessen Spanne den Stellenbewerben mitgeteilt werden. Dies soll transparente Verhandlungen über das Entgelt fördern. Zugleich dürfen Unternehmen Stellenbewerber nicht nach ihrer bisherigen Entgeltentwicklung befragen.

Berichtspflichten nach der EU-Entgelttransparenzrichtlinie

Die EU-Entgelttransparenzrichtlinie weitet auch die Berichtspflichten von Unternehmen aus. Bislang waren von Berichtspflichten nur Unternehmen mit über 500 Beschäftigten betroffen. Künftig werden in Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie Unternehmen ab 100 Mitarbeitern über das Entgeltgefälle Bericht erstatten müssen. Der Zeitpunkt der erstmaligen Berichterstattung sowie die Frequenz sind allerdings nach der Anzahl der Beschäftigten gestaffelt. Ergibt sich anhand der Berichterstattung, dass ohne rechtfertigenden Grund ein Entgeltgefälle von mindestens 5% besteht, müssen Unternehmen dies innerhalb von sechs Monaten korrigieren oder gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern eine gemeinsame Entgeltbewertung durchführen.

Drohende Schadensersatzpflichten

Die EU-Entgelttransparenzrichtlinie sieht ebenfalls einen Schadensersatzanspruch bei Verletzung des Grundsatzes des gleichen Entgelts vor. Danach muss nicht nur eine Korrektur für die Zukunft erfolgen, sondern es können auch Schäden in der Vergangenheit auszugleichen sein. Überdies verlagert Art. 18 der EU-Entgelttransparenzrichtlinie die Beweislast auf den Arbeitgeber, wenn Beschäftigte Anhaltspunkte für eine Diskriminierung vortragen oder Unternehmen den Pflichten nach der Richtlinie nicht nachgekommen sind. Ähnlich wie im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) werden daher regelmäßig Unternehmen darlegen müssen, dass keine Diskriminierung vorliegt. Dieser Beweis dürfte nicht immer gelingen. Arbeitgebern könnte eine „Klagewelle“ zur Durchsetzung von Lohnnachzahlungen wegen Entgeltdiskriminierung drohen.

In diesem Zusammenhang ist auch die aktuelle BAG-Rechtsprechung (Urteil des BAG vom 23. Oktober 2025, Az.: 8 AZR 300/24) zum Anspruch auf gleiches Entgelt relevant. Nach diesem Urteil ist die Darlegung der Arbeitnehmerin ausreichend, dass das Gehalt einer männlichen Vergleichsperson höher liegt. Der Arbeitgeber trägt dann die Beweislast, dass hiermit keine Diskriminierung wegen des Geschlechts verbunden ist. Vor diesem Hintergrund könnten Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung des Grundsatzes des gleichen Entgelts in Zukunft an Brisanz gewinnen.

Aktueller Handlungsbedarf für Unternehmen

Auch wenn Arbeitgeber die Pflichten nach der EU-Entgelttransparenzrichtlinie erst nach der Umsetzung in deutsches Recht beachten müssen, sollten sich Unternehmen möglichst schon jetzt darauf vorbereiten. Jedenfalls sollten die Entgeltstrukturen hinsichtlich geschlechterspezifischen Entgeltgefälles geprüft und gegebenenfalls korrigiert werden. Auch ohne bewusste Ungleichbehandlung können Entgeltunterschiede bestehen, die künftig offengelegt und gerechtfertigt werden müssen. Zudem müssen Unternehmen die Strukturen schaffen, um den verschiedenen Auskunftspflichten nachzukommen, und das Einstellungsverfahren an die Vorgaben der Richtlinie anpassen. Angesichts der drohenden Schadensersatzansprüche und der Störung des Betriebsfriedens, wenn im Rahmen von Berichtspflichten oder Auskunftsansprüchen Entgeltgefälle aufgedeckt werden, sollten Arbeitgeber proaktiv schon jetzt gegensteuern.

Die EU-Entgelttransparenzrichtlinie ist kein neuer „Papiertiger“ der EU. Vielmehr rollt 2026 ein Regelwerk auf Arbeitgeber zu, das erhebliche organisatorische, rechtliche und finanzielle Auswirkungen haben kann. Entgelttransparenz dürfte das arbeitsrechtliche Thema 2026 werden, auf das sich Unternehmen rechtzeitig einstellen sollten.

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