BGH: Bewertungsdurchschnitt auf „Yelp“

BGH: Bewertungsdurchschnitt auf „Yelp“

Autor
Kim-Laura Linnenberg
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Der Bewertungsdurchschnitt auf dem Bewertungsportal „Yelp“ basiert nicht auf sämtlichen Bewertungen, die Nutzer abgegeben haben. „Yelp“ stuft die Beiträge der Nutzer vielmehr als „empfohlen“ oder „nicht empfohlen“ ein und lässt nur die empfohlenen Beiträge in die Durchschnittsbewertung einfließen. Der Bundesgerichtshof hat dieses Vorgehen nunmehr gebilligt (BGH, Urteil vom 14. Januar 2020, Az.: VI ZR 495/18).

Der Sachverhalt

Auf „Yelp“ können Nutzer Geschäfte, Restaurants etc. mit 1-5 Sternen bewerten. Im Anschluss stuft „Yelp“ die Beiträge der Nutzer mittels einer Software als „empfohlen“ oder „nicht empfohlen“ ein. „Empfohlene Beiträge“ sind laut „Yelp“ die „hilfreichsten Beiträge“. Als Kriterien für die Einstufung nennt „Yelp“ u. a. die Qualität, die Vertrauenswürdigkeit und die Aktivität der bewertenden Nutzer.

Auf den Profilen der einzelnen Gewerbetreibenden findet sich zu Beginn der auf den „empfohlenen“ Nutzerbeiträgen basierende Bewertungsdurchschnitt. Unmittelbar daneben ist die Anzahl der Beiträge angegeben, auf denen dieser Bewertungsdurchschnitt basiert. Im Anschluss werden zunächst die empfohlenen Beiträge angezeigt. Über einen darunter befindlichen Link gelangen die Nutzer zu einer Erklärung des Prinzips der empfohlenen Beiträge. Nach dem Hinweis „Die Beiträge unten werden nicht in der gesamten Sternchen-Bewertung für das Geschäft berücksichtigt.“, sind dann die nicht empfohlenen Beiträge sichtbar.

Die Klägerin des hier vorgestellten Verfahrens betreibt zwei Fitnessstudios. Die Bewertungsdurchschnitte der beiden Studios lagen wegen drei bzw. zwei empfohlener Beiträge nur bei 3 bzw. 2,5 Sternen. Diverse ältere Beiträge für die beiden Studios waren überwiegend positiv (4 oder 5 Sterne). Sie wurden von „Yelp“ jedoch als „nicht empfohlen“ eingestuft und daher für die Bewertungsdurchschnitte nicht berücksichtigt.

Die Klägerin beantragte Unterlassung und Schadensersatz. Das Landgericht München I hat ihre Klage zunächst abgewiesen. Das Oberlandesgericht München hat „Yelp“ im Anschluss zur Unterlassung der Ausweisung einer Gesamtbewertung mit nur Teilen der Nutzerbewertungen verurteilt und eine Schadensersatzpflicht festgestellt.

Die Entscheidung

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Oberlandesgerichts München aufgehoben und davon abweichend wie folgt entschieden:

Zunächst besteht kein Anspruch wegen Kreditgefährdung: „Yelp“ hat durch die Bewertungsdarstellungen keine unwahren Tatsachen behauptet oder verbreitet. Denn „Yelp“ äußert nicht, dass bei den angegebenen Bewertungsdurchschnitten alle abgegebenen Beiträge berücksichtigt werden. Ein unvoreingenommener und verständiger Nutzer entnimmt den Erklärungen auf der Website, wie viele Beiträge die Grundlage für eine Durchschnittsberechnung bilden. Er entnimmt ihnen darüber hinaus, dass Grundlage des Durchschnitts ausschließlich „empfohlene“ Beiträge sind.

„Yelp“ macht zudem keine eigenständige Aussage über die Qualität der Fitnessstudios. Bei der Einordnung der Beiträge handelt es sich lediglich um deren Beurteilung – nicht um eine Bewertung der Fitnessstudios. „Yelp“ hat sich die Einzelbewertungen der Beiträge auch nicht zu eigen gemacht.

Eine Beeinträchtigung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts und des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin ergibt sich daher lediglich als „Reflexwirkung“ aus der Beurteilung der Beiträge, da „Yelp“ auf dieser Grundlage die Bewertungsdurchschnitte ermittelt.

Die Bewertungsdarstellungen auf „Yelp“ sind jedoch nicht rechtswidrig: Der Betrieb eines Bewertungsportals erfüllt eine von der Rechtsordnung gebilligte und gesellschaftlich erwünschte Funktion. Dies gilt auch für Kontrolle und Bewertung von Nutzerbeiträgen, um die Funktionsfähigkeit des Bewertungsprotals zu schützen.

Die Einordnung der Beiträge als „empfohlen“ oder „nicht empfohlen“ ist ferner eine geschützte Meinungsäußerung. Dass „Yelp“ dafür eine automatisierte Software nutzt, ist unerheblich. Diese setzt lediglich vorgegebene Bewertungskriterien um.

Es ist auch keine weitergehende Erläuterung der Bewertungskriterien notwendig: Jeder soll frei sagen können, was er denkt. Dies gilt auch, wenn er keine nachprüfbaren Gründe für sein Urteil angibt.

Weitergehende Begründungs- oder Informationspflichten ergeben sich zuletzt nicht daraus, dass „Yelp“ Neutralität, objektiv nachvollziehbare Sachkunde oder Repräsentativität hinsichtlich der Beurteilungen für sich in Anspruch nimmt. „Yelp“ bewertet die subjektiven Einschätzungen der Nutzer lediglich selbst subjektiv.

Die Auswirkungen für die Praxis

Auch zukünftig wird sich beim Betrieb von Bewertungsportalen die Frage stellen, inwiefern eine hohe Qualität der Bewertungen sichergestellt werden kann, ohne dabei ein verfälschtes Bild zu erzeugen. Ein solches könnte abweichend zum hier dargestellten Fall zur Haftung eines Bewertungsportals führen. Eine wie von „Yelp“ vorgenommene Einordnung als „empfohlen“ oder „nicht empfohlen“ und der darauf basierende Bewertungsdurchschnitt wurden vom Bundesgerichthof jedoch gebilligt. Maßgebliches Kriterium bei der Bewertung ist das Verständnis der Nutzer.

 

Weitere Informationen zu Bewertungsportalen und dem Vorgehen gegen rufschädigende Bewertungen unter www.falsch-bewertet.de.

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