
Verwaltungsgericht Köln gewährt starken IFG-Schutz – auch für die Presse

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Das Verwaltungsgericht Köln hat mit zwei – nicht rechtskräftigen – Urteilen vom 15. Februar 2024 (Az.: 13 K 7445/18 und 13 K 1635/19) die praktische Durchsetzung von Ansprüchen nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) gestärkt. In zwei parallelen Verfahren, die zusammen verhandelt wurden, hat die 13. Kammer des Gerichts die Bundesrepublik Deutschland – konkret das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) – dazu verpflichtet, der Süddeutschen Zeitung umfassende Informationen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Im Einzelnen ging es um Meldungen zu Vorkommnissen im Zusammenhang mit Medizinprodukten wie Herzschrittmachern oder Prothesen sowie um Statistiken zu Zertifizierungsstellen von Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika.
Mit seinen beiden Entscheidungen stellt das Verwaltungsgericht klar, dass eine Berufung auf das IFG ein „scharfes Schwert“ in der Hand des jeweiligen Anspruchstellers ist und die Behörden sich nicht mit vorgeschobenen Argumenten gegen eigentlich bestehende Auskunfts- und Informationspflichten zur Wehr setzen können.
Der Sachverhalt
Die Süddeutsche Zeitung hatte 2018 als Mitglied des Internationalen Netzwerkes investigativer Journalisten im Rahmen ihrer Berichterstattung zu den sogenannten „Implant Files“ Lücken in der Kontrolle von Implantaten aufgedeckt. Während der Recherche hatte sie unter anderem das BfArM um Auskünfte und Unterlagen zur Zulassung und Überwachung von Medizinprodukten gebeten. Die Behörde hatte nur teilweise – und nach Ansicht der Süddeutschen Zeitung unzureichend – Unterlagen herausgegeben und Informationen erteilt. Ihre Weigerung hatte sie damit begründet, dass sie Geheimhaltungsvorschriften im Sinne von § 3 Nr. 4 IFG unterliege und es sich bei den begehrten Informationen zudem um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nach § 6 Satz 2 IFG handele. Schließlich sei der Aufwand für die Behörde zu groß, um dem Ansinnen der SZ nachzukommen.
Die Süddeutsche Zeitung hatte daraufhin zwei Klagen eingereicht, über die nunmehr – nach Ablauf von beinahe sechs Jahren (!) – entschieden wurde.
Die Urteile
In seinen beiden – in weiten Teilen gleichlautenden – Entscheidungen hat das Verwaltungsgericht Köln die Stellung des Anspruchstellers im Rahmen des IFG gestärkt. Der Anspruch aus § 1 Abs. 1 IFG steht jedem Bürger zu; er kann also von jedermann geltend gemacht werden und somit auch von Redaktionen und Journalisten.
Zunächst setzt das Gericht bei der grundsätzlichen Anwendbarkeit des IFG einen weiten Maßstab an. § 1 Abs. 3, der besagt, dass Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen vorgehen, sperre in den beiden Verfahren die Anwendbarkeit des IFG nicht. Die Berufung des BfArM auf Vorschriften aus dem Bereich des Medizinprodukterechts, die unter bestimmten Voraussetzungen einen Informationszugang gewähren, lehnte das Gericht ab.
Auch dem Versagungsgrund aus § 3 Nr. 4 IFG erteilte die Kammer eine Absage. Danach besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn es in anderen Spezialvorschriften einen besonderen Geheimnisschutz gibt. Das BfArM hatte seine Weigerung unter anderem auf das Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) gestützt, in dem nur bestimmte Datenbanken als öffentlich zugänglich geregelt sind. Eine solche Bestimmung stelle keine Spezialvorschrift dar, die die Geheimhaltung gebietet; insofern sei vielmehr eine ausdrückliche Regelung erforderlich, die hier fehle.
Auch der Berufung der Behörde auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nach § 6 Satz 2 IFG folgt das Gericht nicht. Die Vorschrift sei eng auszulegen und im Wesentlichen auf ein exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen beschränkt. Ein solches werde aber durch die begehrten Informationen nicht zugänglich gemacht. Zudem seien Geschäftsgeheimnisse nach einem Zeitraum von fünf Jahren typischerweise nicht mehr aktuell und deshalb nicht mehr vertraulich.
Schließlich lehnt das Gericht auch den Einwand der Behörde, die tatsächliche Auskunftserteilung würde für sie einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand (§ 7 Abs. 2 Satz 1 IFG) bedeuten, mit klaren Worten ab. Diese ebenfalls eng auszulegende Vorschrift ziele darauf ab, die informationspflichtige Stelle vor einer institutionellen Überforderung und einer Beeinträchtigung ihrer Funktionsfähigkeit zu schützen. Davon könne aber bei rund 1.350 Mitarbeitern und im Hinblick darauf, dass das IFG seit fast zwanzig Jahren in Kraft sei, keine Rede sein.
Bedeutung der Entscheidungen
Mit seinen beiden Entscheidungen stärkt das Verwaltungsgericht Köln die Rechte der Anspruchsteller nach dem IFG. Die Behörden müssen sich auf die Erteilung von entsprechenden Auskünften und die Herausgabe von Unterlagen einrichten; Ablehnungs- und Versagungsgründe greifen nur in Ausnahmefällen.
Der IFG-Anspruch ist insbesondere auch für Redaktionen sowie Journalistinnen und Journalisten interessant, da er über die Erteilung von Auskünften hinaus – die auch die presserechtlichen Auskunftsansprüche gewähren – ebenfalls die Herausgabe von Unterlagen vorsieht. Zudem enthält das IFG für die Informationserteilung durch die angerufene Behörde eine Soll-Frist von einem Monat (§ 7 Abs. 5); dies erweist sich bei der praktischen Durchsetzung als hilfreich.
* Lausen Rechtsanwälte hat in diesen beiden Verfahren die Süddeutsche Zeitung vertreten.