Keine Urheberrechtsverletzung durch Retweet

Keine Urheberrechtsverletzung durch Retweet

Autor
Bernhard Buchner
Bernhard Buchner Rechtsanwalt, Partner
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Fachanwalt für Informationstechnologierecht
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Die Weiterverbreitung (das „Teilen“) von Inhalten gehört zu den wesentlichen Funktionen von Social-Media-Plattformen. Den wenigsten Nutzern dürfte jedoch bewusst sein, dass hierbei möglicherweise in an den geteilten Inhalten bestehende Rechte eingegriffen wird.

Das Amtsgericht Köln hat in einem aktuellen Urteil vom 22. April 2021, Az. 111 C 569/19 allerdings festgestellt, dass ein Retweet eines Fotos keine Urheberrechtsverletzung darstellt.

Sachverhalt

Die Parteien sind beide Journalisten. Der Kläger verwendete ein Foto von sich auf Twitter als Profilbild. Er behauptete, an dem Foto die ausschließlichen Nutzungsrechte vom Fotografen erhalten zu haben.

Eine dritte Person T. verwendete das Foto des Klägers für einen eigenen Tweet. Der Tweet von T. wurde vom Beklagten retweetet.

Der Kläger ließ den Beklagten wegen der Fotonutzung aufgrund des Retweets abmahnen. Der Beklagte gab daraufhin eine Unterlassungserklärung ab. Mit der Klage verlangt der Kläger die Erstattung der ihm für die Abmahnung entstandenen Anwaltskosten.

Entscheidung

Die Klage wurde abgewiesen. Die Abmahnung war nach Auffassung des Gerichts unberechtigt, da der Beklagte durch den Retweet keine Urheberrechtsverletzung an dem Foto begangen habe.

Keine öffentliche Wiedergabe

Zum einen liege beim Retweeten ein Fall des „Embedding“ vor, so dass nach der Rechtsprechung des EuGH (in Sachen „Svensson“ und „Bestwater International“) keine öffentliche Wiedergabe nach § 15 Abs. 2 UrhG vorliege. Der Kläger habe sein Profilbild selbst auf Twitter eingestellt, dort war es für die Öffentlichkeit uneingeschränkt abrufbar. Durch den Retweet des Beklagten sei also kein neues Publikum erreicht worden.

Selbst wenn der Kläger das Foto nicht selbst auf Twitter hochgeladen habe – es also rechtswidrig verwendet wurde –, läge keine öffentliche Wiedergabe vor. In diesem Fall kommen die vom EuGH im Fall „GS Media“ aufgestellten Grundsätze zur Anwendung: eine öffentliche Wiedergabe liegt in diesem Fall nur dann vor, wenn der Beklagte die rechtswidrige Nutzung kannte oder kennen musste. Für eine Vermutung der Kenntnis wegen des Vorliegens von Gewinnerzielungsabsicht war im entschiedenen Fall kein Raum. Nach Ansicht des AG Köln lagen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beklagte eine rechtswidrige Nutzung hätte erkennen können. Von einem Twitternutzer vor einem Retweet eine Recherche in Bezug auf die Rechtmäßigkeit des betreffenden Inhalts zu verlangen, hielt das Gericht für kaum praktikabel und ohne Gewinnerzielungsabsicht nicht zumutbar.

Keine Rechtswidrigkeit

Zum anderen hält das AG Köln die Nutzung des Fotos in einem Retweet für nicht rechtswidrig. Durch das Hochladen des Fotos bei Twitter habe der Kläger in die Weiterverbreitung auf der Plattform konkludent eingewilligt.

Jeder Nutzer einer Social-Media-Plattform könne davon ausgehen, dass die anderen Nutzer mit der Weiterverbreitung der eingestellten Inhalte innerhalb der Funktionalitäten der Plattform einverstanden seien. Dies sei gängige Praxis. Das Wesen von Social-Media-Plattformen sei auf Erzielung einer größtmöglichen Breitenwirkung ausgelegt. Daher sei mit der Nutzung der Möglichkeiten, welche die Plattform bietet, zu rechnen.

Praxishinweis

Im Ergebnis ist der Entscheidung des AG Köln zuzustimmen. Allerdings berücksichtigt das AG Köln nicht bzw. nur unzureichend, dass im vorliegenden Fall der Beklagte nicht die Kopie des Fotos retweetet hatte, welche der Kläger hochgeladen hatte. Vielmehr hat der Beklagte den Tweet eines Dritten weiterverbreitet, der für diesen Tweet eine eigene Kopie des Fotos erstellt hatte.

Auf das Teilen von Inhalten innerhalb einer Social-Media-Plattform kann regelmäßig die „Embedding“-Rechtsprechung des EuGH angewendet werden. Wird in einem solchen Fall der geteilte Inhalt an der „Quelle“ gelöscht, ist auch der geteilte Inhalt im „Zielprofil“ nicht mehr verfügbar (siehe etwa die Retweet-FAQ von Twitter). Dies macht diese Art von Nutzung mit dem „Embedding“ oder Verlinken zumindest vergleichbar.

Beim Upload eines Inhalts auf eine Social-Media-Plattform kann eine konkludente Einwilligung in die Weiterverbreitung angenommen werden. Dies kann freilich nur bei Verwendung von Plattformfunktionen gelten, etwa bei einem Retweet, beim Teilen eines Facebook-Posts oder beim Einbinden eines YouTube-Videos in eine Webseite. Sieht eine Plattform keine „Teilen“-Funktion vor – wie etwa Instagram (außer bei Stories) – kann eine Einwilligung nicht vorliegen. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Einwilligung nur durch den hochladenden Nutzer erfolgt. Ist dieser nicht der Rechteinhaber, geht die Einwilligung ins Leere. Dementsprechend hätte das AG Köln auch nur eine Einwilligung des Dritten annehmen dürfen, dessen Tweet der Beklagte retweetet hat. Mangels öffentlicher Wiedergabe beim Retweet haftete der Beklagte im vom AG Köln entschiedenen Fall aber dennoch nicht wegen einer Urheberrechtsverletzung.

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