Haftung für das Betreiben eines „Content-Delivery-Network“

Autor
Dr. Lorenz Haidinger
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Bei der Verfolgung von Rechtsverletzungen im Internet gehen Rechteinhaber vermehrt gegen Dienste vor, die zwischen dem Nutzer und der Plattform, die die rechtsverletzenden Inhalte bereitstellt, stehen. Plattformen, die die rechtsverletzenden Inhalte bereitstellen, sind häufig in Ländern beheimatet, in denen eine Rechtsverfolgung ausweglos erscheint. Das LG Köln hat sich in einem Verfahren zum Erlass einer Einstweiligen Verfügung unter anderem mit der Frage der Haftung für das Betreiben eines „Content-Delivery-Network“ beschäftigt (Urteil vom 30.01.2020, Az. 14 O 171/19).

Technischer Hintergrund zum Betrieb eines Content-Delivery-Network

Jeder Betreiber einer Internetseite muss den gewünschten Namen seiner Webseite (sog. Domain) registrieren lassen. Jeder Domain ist eine IP-Adresse zugeordnet, die bei der Registrierung eingetragen wird. Server erreichen jede Webseite grundsätzlich nur unter dieser IP-Adresse. Internetnutzer kennen aber in aller Regel die IP-Adresse der gesuchten Webseite nicht, sondern nur die Domain. Daher muss gewährleistet sein, dass der Internetnutzer eine Webseite bei Eingabe des Namens erreicht. In der Folge werden bei der Registrierung einer Domain zwei Nameserver eingetragen. Sie nehmen die sog. Auflösung der Domain in die IP-Adresse vor.

Das beklagte Unternehmen bietet Nameserver an. Wird das beklagte Unternehmen als Nameserver tätig, leitet es den Datenverkehr zwischen dem Endnutzer und dem Webseitenbetreiber über eigene Server im Rahmen eines sog. Content-Delivery-Network. Ein Content-Delivery-Network ist ein auf verschiedene Länder verteiltes und aus vielen miteinander vernetzten Server-Präsenzpunkten bestehendes Netzwerk. Das beklagte Unternehmen unterhält 194, miteinander vernetzte Server-Präsenzpunkte, die weltweit auf 90 Länder verteilt sind. Dabei bietet das beklagte Unternehmen seinen Kunden an, den Aufruf der Webseite durch Drittnutzer nach bestimmten Kriterien einzustellen, zu blockieren oder zuzulassen. Außerdem hält es bei vorübergehender Nichterreichbarkeit einer Webseite deren Inhalte vor.

In Folge dieses Angebots ist die jeweilige IP-Adresse der Domain nicht sichtbar. Bei Whois-Anfragen zu einer Domain, die den Dienst des beklagten Unternehmens als Nameserver nutzt, wird nur die IP-Adresse des beklagten Unternehmens angezeigt.

Der Sachverhalt

Eine Tonträgerherstellerin ging wegen Verletzung der Leistungsschutzrechte am Musikalbum „HERZ KRAFT WERKE“ von Sarah Connor gegen ein Unternehmen vor, das unter anderem Nameserver und ein Content-Delivery-Network betreibt.

Das beklagte Unternehmen wird auch von einem Dienst genutzt, der Hyperlinks zu illegalen Download-Angeboten urheberrechtlich geschützter Musikaufnahmen anbietet. Dieser Dienst bietet die Hyperlinks geordnet in mehreren Kategorien sowie eine eigene Suchfunktion an. Der Dienst hat kein Impressum, wird in Russland gehostet und hat mehrfach den Host Provider gewechselt. Der Dienst bot Hyperlinks zu illegalen Downloads an, darunter auch für das Musikalbum „HERZ KRAFT WERKE“ von Sarah Connor.

Die Tonträgerherstellerin wies das beklagte Unternehmen auf eine Rechtsverletzung in Bezug auf das Musikalbum „HERZ KRAFT WERKE“ zunächst per E-Mail hin und mahnte es später ab.

Die Entscheidung

Das LG Köln bejahte einen Anspruch der Tonträgerherstellerin gegen das beklagte Unternehmen auf Unterlassung nach den Grundsätzen der Störerhaftung. Das beklagte Unternehmen hat es zu unterlassen, Dritten zu ermöglichen, das Musikalbum „HERZ KRAFT WERKE“ von Sarah Connor über den die Hyperlinks bereithaltenden Dienst öffentlich zugänglich zu machen.

Der die Hyperlinks bereithaltende Dienst nehme eine rechtswidrige öffentliche Zugänglichmachung vor. Durch die Kategorisierung und Koordinierung der illegalen Download-Angebote sitze der Dienst „wie eine Spinne im Netz“.

Das beklagte Unternehmen hafte nach den Grundsätzen der Störerhaftung, da es der eingetragene Nameserver und Betreiber des Content-Delivery-Network für den Dienst sei. Das beklagte Unternehmen habe seine Prüfpflichten verletzt, indem es die Auflösung der Domain des die Hyperlinks bereithaltenden Diensts nicht einstellte, nachdem es von der Tonträgerherstellerin auf die Rechtsverletzung des Musikalbums hingewiesen wurde. Da die Rechtsverletzung offenkundig gewesen sei, sei eine anlassbezogene Prüfpflicht zumutbar. Es könne dem beklagten Unternehmen nicht verborgen geblieben sein, dass es sich bei dem die Hyperlinks bereithaltenden Dienst um „eine strukturell urheberrechtsverletzende Webseite“ handle.

Eine Sperrung der Auflösung der Domain sei technisch möglich und dem beklagten Unternehmen wirtschaftlich zumutbar. Die Grundsätze zur Zumutbarkeit von Sperrmaßnahmen durch Access-Provider und der Subsidiarität der Haftung von Access-Providern seien nicht übertragbar (vgl. zu diesen Grundsätzen: BGH, Urteil vom 26.11.2015, Az. I ZR 174/14 – Störerhaftung des Access-Providers). Denn anders als ein Access-Provider als Telekommunikationsunternehmen schulde das beklagte Unternehmen einem (dritten) Internetnutzer nicht die Erleichterung des Zugangs zu der vom Vertragspartner betriebenen Webseite. Das beklagte Unternehmen erbringe seine Dienstleistungen in ähnlicher Weise wie etwa der Host Provider.

Die Haftung des beklagten Unternehmens sei nicht nach § 8 Abs. 1, 2 TMG ausgeschlossen. Das beklagte Unternehmen beschränke sich nicht auf eine flüchtige und automatische Speicherung, sondern sortiere einzelne Anfragen aus und entscheide damit, an wen die Informationen der Webseite übermittelt werden. Außerdem halte sie bei vorübergehender Nichterreichbarkeit der Webseite deren Inhalte vor.

Dagegen verneinte das LG Köln eine täterschaftliche Haftung des beklagten Unternehmens. Es fehle an einer positiven Kenntnis von der Urheberrechtsverletzung des die Hyperlinks bereithaltenden Diensts.

Außerdem bejahte das LG Köln einen Anspruch der Tonträgerherstellerin gegen das beklagte Unternehmen auf Drittauskunft. Die Tonträgerherstellerin könne vom beklagten Unternehmen Auskunft über Name und Anschrift des Betreibers des die Hyperlinks bereithaltenden Diensts verlangen.

Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung des LG Köln ist sehr ausführlich begründet und nimmt eine klare Abgrenzung des Angebots eines Content-Delivery-Network vom Angebot eines Access-Providers vor. Anbieter von Content-Delivery-Networks müssen sich nach der Entscheidung des LG Köln darauf einstellen, vermehrt wegen Urheberrechtsverletzungen in die Haftung genommen zu werden.

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