Entstellung der Gestaltung eines öffentlichen Platzes durch einen Zaun

Entstellung der Gestaltung eines öffentlichen Platzes durch einen Zaun

Autor
Marco Erler
Marco Erler Rechtsanwalt
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Zertifizierter Jugendschutzbeauftragter
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In diversen Urteilen ist bereits die Frage thematisiert worden, ob das Urheberrecht an einem nach dem Urheberrechtsgesetz (UrhG) geschützten Gebäude dessen Nutzung durch den Eigentümer beschränken kann. Dies kann bejaht werden, da der Eigentümer nicht jede Veränderung an seinem Werk vornehmen darf. Bearbeitungen wie Umbauten sind grundsätzlich nur erlaubt, wenn er sich das Recht hierzu hat einräumen lassen. Aber selbst dann kann der Eigentümer nicht uneingeschränkt sein auch nach dem UrhG geschütztes Eigentum nutzen. Nach § 14 UrhG darf er es nicht entstellen oder anderweitig beeinträchtigen, es sei denn, dass er ein berechtigtes Interesse hieran hat. Vorstehendes wurde beispielhaft bereits im Zusammenhang mit dem Berliner Hauptbahnhof diskutiert (vgl. LG Berlin, Urteil vom 28. November 2006, 16 O 240/05 = GRUR 2007, 964). Die Stadt Berlin, die viele Millionen in den Bau des Bahnhofs investiert hat, wurde vom Gericht wegen Verstoßes gegen § 14 UrhG verpflichtet, die eingezogene Decke wieder zu ändern, da diese so in den Plänen der Architekten nicht vorgesehen war. Das OLG Düsseldorf musste sich jüngst ebenfalls mit der Frage auseinandersetzen, ob ein durch eine Architektin gestalteter öffentlicher Platz verändert werden darf oder dies die Rechte der Architektin nach § 14 UrhG verletzt (Urteil vom 11.1.2024 – 20 U 36/23). Eine Verletzung von § 14 UrhG wurde hier abgelehnt.

Sachverhalt

Die klagende Architektin hat einen öffentlichen Platz neu gestaltet und ein Konzept hierfür erstellt. In das Konzept wurden in den Boden eingelassene Raster grüner LED-Lichtpunkte, ein die umgebende Bebauung überragender »Grüner Strahl«, Platanen in kreisrunden erhöhten Grasflächen und »Stadtsofas« aus Glasbausteinen aufgenommen. Es war das Ziel der Architektin, dass der Platz eine öffentliche Kommunikationsstätte mit hoher Aufenthaltsqualität wird. Auf dem Platz sollte zudem eine von der Stadt verpachtete Gastronomie entstehen. Zunächst wurde hierfür ein mobiler Restaurantwagen aufgestellt, später dann ein Glaspavillon errichtet. Aufgrund der Verelendung des Platzes durch Drogenverkauf und -konsum stimmte die Stadt der Errichtung eines Zaunes durch den Pächter der Gastronomie zu. Die Einfriedung durch den Zaun erfasst einen Großteil des Platzes samt einiger Stadtsofas, die damit nur noch den Gästen des Restaurants zur Verfügung standen. Die Klägerin sieht hierin ihre Rechte aus § 14 UrhG verletzt. Der Zaun entstelle ihr Konzept, da er aufgrund seiner Präsenz das Gesamtbild des Platzes samt Elementen beeinträchtige und zudem auch den künstlerischen Zweck des Konzeptes, nämlich den freien Zugang zwecks Kommunikation mit hoher Aufenthaltsqualität, vereitele. Nur den Gästen des Restaurants sei dies nun noch möglich. Die Klägerin mahnte zunächst den Gastronomen erfolglos ab und reichte danach beim LG Düsseldorf Klage auf Unterlassung der Errichtung eines Zaunes ein. Nach Ablehnung des Anspruches legte sie Berufung beim OLG Düsseldorf ein.

Entscheidung

Das OLG Düsseldorf bestätigte die Entscheidung des LG Düsseldorf und wies ebenfalls die gesamte Klage ab.

Zunächst stellt das Gericht klar, dass das Konzept der Klägerin und dessen Umsetzung im Platz gemäß § 2 UrhG geschützt sei. Es handele sich hierbei um ein Werk der Baukunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG. Dies ergebe sich insbesondere aus bestimmten Merkmalen, die über den bloßen Gebrauchszweck hinausgehen und die erforderliche Individualität aufweisen. Das Gericht stellte hierbei auf die zentrale Lichtskulptur, die Anordnung beleuchteter »Stadtsofas« sowie das Licht-/Farbkonzept im Sinne einer allgemein zugänglichen und durch Bodenstrahler gestalteten »grünen Insel« ab.

Hiernach prüfte es eine Entstellung dieses geschützten Konzeptes nach § 14 UrhG durch die Umzäunung des Platzes. Im Ergebnis verneinte das Gericht Ansprüche aus § 14 UrhG.

Zwar könnten auch Bauwerke entstellt werden, wenn in die körperliche Substanz eingegriffen, ein neuer Sachzusammenhangs begründet oder eine neue Zweckbestimmung geschaffen werde. Dies sei vorliegend vorbehaltlich der Interessenabwägung auch der Fall, da in die „optische“ Substanz durch Aufstellen eines massiven Zauns eingegriffen sowie die angedachte Zweckbestimmung (»frei zugänglicher« Platz mit hoher Aufenthaltsqualität und Austauschmöglichkeit über die Stadtsofas) durch die Begrenzung des Zugangs und Umzäunung von Sofas beschränkt werde.

Allerdings würde die im Rahmen von § 14 UrhG erforderliche Abwägung der Interessen der Architektin als Urheberin und der Stadt als Eigentümerin des Platzes, auf dessen Rechtsstellung sich der beklagte Gastronom stützen könne, dazu führen, dass der Eingriff in § 14 UrhG hinzunehmen sei. Entsprechend der einschlägigen Rechtsprechung wies das Gericht zunächst darauf hin, dass im Rahmen der Interessenabwägung die Intensität des Eingriffs in die Urheberrechte als auch insbesondere der Gebrauchszweck des Bauwerks zu beachten seien. Ist der Eingriff kaum spürbar oder musste der Urheber mit Änderungen rechnen, so sei ein Eingriff hinnehmbar. Handele es sich um ein reines Kunstobjekt und trete ein Gebrauchszweck in den Hintergrund, so seien Änderungen wiederum problematisch. Hat das Bauwerk ersichtlich einen Gebrauchszweck, so wird eine Nutzung durch die Allgemeinheit intendiert. In diesem Fall müssten Änderungen akzeptiert werden, wenn diese für die (gewerbliche) Nutzung erforderlich seien oder Bauvorschriften dies zwingend vorsehen würden.

Vorliegend handelt es sich nicht um ein reines Kunstobjekt. Vielmehr sollte der Platz auch nach dem Wunsch der Urheberin weiterhin für den Austausch der Allgemeinheit in einem Bereich mit hoher Aufenthaltsqualität genutzt werden. Zudem wusste sie um die Nutzung für gastronomische Zwecke. Der Gebrauchszweck stehe also im Vordergrund. Der Drogenkonsum und -verkauf erforderten aber Maßnahmen, um den Gebrauchszweck zu erhalten. Die Umzäunung erfolgte nämlich gerade, um der Verelendung des Platzes wegen des Drogenkonsums und -verkaufs Herr zu werden. Durch den Zaun werde also das Sicherheitsgefühl der Allgemeinheit gestärkt. Damit wiegen die Interessen der Stadt höher.

Das Gericht weist in diesem Zusammenhang zudem darauf hin, dass die Interessen des Eigentümers an einer anderweitigen Nutzung in der Regel vorgehen (BGH-Urteil vom 21. Februar 2019 – Minigolfanlage). Weiter komme es nicht darauf an, ob der Eigentümer bei Erstellung des Werks von den die Änderung auslösenden Umständen wusste. Dies war vorliegend der Fall.

Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf reiht sich in die Vielzahl von Entscheidungen zur Entstellung von Bauwerken ein. Das OLG Düsseldorf prüft hierbei anhand der Kriterien des BGH schulmäßig die Begründetheit des Unterlassungsanspruchs und vertieft in diesem Einzelfall die Kriterien des Gebrauchszwecks, der die Eingriffe in das Urheberrecht rechtfertigen kann. Soweit erscheinen die Ausführungen des OLG Düsseldorf schlüssig.

Bedenklich ist aber, dass aus Sicht des Gerichts der Umstand gänzlich unbeachtlich ist, dass die Stadt bereits um die die Änderung erforderlich machenden Umstände zum Zeitpunkt der Beauftragung des Konzeptes wusste. Dies kann per se nicht unbeachtlich sein. Zwar muss der Eigentümer auf Gesetzesänderungen oder Verschärfungen von Situationen reagieren können. Sollte er aber bei Beauftragung die Umstände kennen, die später unverändert zur Änderung des Werkes führen, so kann nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass dieses Wissen unbeachtlich ist. Schließlich hat der Eigentümer in Kenntnis der Umstände den Auftrag erteilt und hätte hier bereits den Urheber informieren können, so dass dieser die Umstände in sein Werk hätte einbeziehen könne. Das Werk hätte also auf die für die Nutzung relevanten Umstände ausgerichtet werden können, ohne dass Änderungen erforderlich wären. Dies wahrt die Interessen des Urhebers. Der Eigentümer erscheint in diesem Fall auch nicht schutzwürdig, da er bei gleichbleibenden Umständen Urheberrecht und Eigentum durch eine Information an den Urheber hätte wahren können. Diesen Punkt hätte das OLG Düsseldorf vertieft prüfen müssen.

 

 

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