Einwirkungspflichten bei Vertiefung einer Urheberrechtsverletzung durch Dritte

Einwirkungspflichten bei Vertiefung einer Urheberrechtsverletzung durch Dritte

Autor
Marco Erler
Marco Erler Rechtsanwalt
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Zertifizierter Jugendschutzbeauftragter
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Übernimmt man geschützte Inhalte eines Urhebers wie zum Beispiel Filmteile oder Musik ohne Berechtigung in ein eigenes Video und veröffentlicht dieses Video über Facebook, Instagram etc., so haftet man auf Unterlassung, muss Auskunft über die Nutzung erteilen und neben dem Ersatz etwaiger Rechtsanwaltskosten auch Schadensersatz leisten. Muss der Verletzer aber möglicherweise noch mehr tun, wenn Dritte sein Video mit den geschützten Inhalten des Urhebers ebenfalls rechtswidrig nutzen? Muss man diese Veröffentlichung durch Dritte etwa eindämmen? Das LG Köln (Urteil vom 13.01.2022, Az. 14 O 127/22, nicht rechtskräftig) musste sich jüngst mit dieser Frage, ob Einwirkungspflichten bei Vertiefung einer Urheberrechtsverletzung durch Dritte bestehen, auseinandersetzen.

Sachverhalt

Der Kläger veröffentlichte über seinen Facebook-Account einen Film. Der Beklagte übernahm Teile aus diesem Film in ein eigenes Video und versah dieses mit Einblendungen wie unter anderem „Wenn dein Lappen-Kumpel Welle macht“. Dieses Video veröffentlichte der Beklagte über seinen Instagram-Account. Der Kläger ging gegen diese illegale Nutzung der Ausschnitte aus seinem Film vor und forderte den Beklagten zur Unterlassung und zum Ersatz von Rechtsanwaltskosten auf. Der Beklagte gab eine Unterlassungserklärung mit Vertragsstrafeversprechen für den Fall der Zuwiderhandlung ab und ersetzte die Rechtsanwaltskosten. Eine dritte Person hatte vor Löschung das Video des Beklagten kopiert und über seinen Facebook-Account ebenfalls veröffentlicht. Der Kläger ist der Ansicht, dass der Beklagte auch für die Veröffentlichung der dritten Person hafte und verlangte unter anderem wegen Verstoßes gegen die Unterlassungserklärung eine Vertragsstrafe in Höhe von 5.001 €.

Entscheidung

Das LG Köln lehnte den Anspruch auf Vertragsstrafe ab, da der Beklagte nicht für den Account des Dritten verantwortlich sei und nicht auf diesen Dritten zwecks Eindämmung der Veröffentlichung einwirken müsse.

Zwar kann den Verletzer (hier der Beklagte) nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bei sich fortsetzenden Störungen durch Dritte aufgrund der eigenen Verletzung im Fall der Abgabe einer Unterlassungserklärung auch die Pflicht treffen, auf diese Dritten einzuwirken. Dies sei aber nur dann der Fall, wenn dem Verletzer dies (rechtlich oder tatsächlich) möglich und zumutbar sei. Hierfür müsse dem Verletzer das Handeln des Dritten wirtschaftlich zugutekommen und er mit den (weiteren) Verstößen durch den Dritten ernstlich rechnen müssen.
Im vorliegenden Fall verneinte das Gericht diese Bedingungen. Dem Verletzter käme die Veröffentlichung seines Videos nicht wirtschaftlich zugute, da das Video weder Hinweise auf den Verletzter enthielt noch eine Verlinkung oder einen Hashtag aufwies. Die Veröffentlichung des Dritten könne also nicht einmal die Bekanntheit des Verletzers mittelbar erhöhen. Zudem musste der Verletzer nicht mit der Veröffentlichung durch den Dritten rechnen und könne diese auch nicht beherrschen.

Auswirkungen für die Praxis

Das Urteil des LG Köln liegt auf einer Linie mit der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH GRUR 2018, 1183 Rn. 8 ff. – Wirbel um Bauschutt). Ist es für den Verletzer zumutbar und (rechtlich oder tatsächlich) möglich, so ist er verpflichtet auf Dritte einwirken, um die Vertiefung der von ihm verursachten Rechtsverletzung einzudämmen. Kommt ihm diese Vertiefung durch Handlungen des Dritten wirtschaftlich zugute, so kann man dies auch verlangen, sofern er mit der Vertiefung der Rechtsverletzung ernstlich rechnen musste und ihm ein Einwirken möglich ist.

Ein derart wirtschaftlicher Vorteil mag entsprechend der Ausführungen des LG Köln im Fall der Steigerung der Bekanntheit des Verletzers durch die Veröffentlichung über den Dritten vorliegen. Die Bekanntheit einer Person hat gerade in der (Social Media-)Werbung einen monetären Wert. Allerdings stellt sich die Frage, welchen Sinn ein derartiges Einwirken hat, wenn die Veröffentlichung über den Kanal des Dritten faktisch oder rechtlich nicht verhindert werden kann, da dieser sich dem Einwirken des Verletzers nicht beugen muss. Da aber der Dritte möglicherweise nicht um die Rechtswidrigkeit weiß und nicht auszuschließen ist, dass er bei Kenntnis der Rechtswidrigkeit die Veröffentlichung einstellt, sollte dem Verletzer bei wirtschaftlichen Vorteilen eine Einwirkungspflicht auferlegt werden.

Zweifeln begegnen aber die Ausführungen des LG Köln zur weiteren Voraussetzung für die Einwirkungspflicht, nämlich ob der Verletzer mit der Vertiefung seiner Rechtsverletzung ernstlich rechnen musste. Ohne Begründung verneinte das Gericht diese Voraussetzung. Angesichts des genutzten Mediums erscheint die Ansicht des LG Köln fraglich. Der Verletzer hat sein illegales Video über einen Social Media-Account (hier Instagram) angeboten. Unter Berücksichtigung der bekannten und gewünschten Funktionen in Social Media-Kanälen zum Verteilen bzw. Down- und Uploaden von Inhalten wie zum Beispiel „Video speichern“ und „Teilen“ spricht viel dafür, dass Dritte ein Video für ihre Accounts „übernehmen“. Die Verteilung von Inhalten ist gerade ein Wesensmerkmal von Social Media. Vor diesem Hintergrund sollte sich ein Gericht in jedem Einzelfall anhand der konkreten Umstände damit auseinandersetzen, ob die „Übernahme“ eines Videos nicht naheliegend ist.

Die Auffassung des LG Köln, dass man per se nicht ersichtlich damit rechnen müsse, dass Dritte aus Social Media-Angeboten Videos herunterladen und selbst veröffentlichen, wird damit nicht den Besonderheiten von Social Media-Plattformen gerecht. Es bedarf vielmehr einer differenzierteren Betrachtung anhand des jeweiligen Einzelfalls, um diese Frage zu beantworten.

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