Schutz des Arbeitgebers vor Fake-Attesten?

Schutz des Arbeitgebers vor Fake-Attesten?

Autor
Dr. Florian Sperling
Dr. Florian Sperling Rechtsanwalt, Partner
Fachanwalt für Arbeitsrecht
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Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 8. September 2021, Az. 5 AZR 149/21, entschieden, dass der Beweiswert einer am Tag der Kündigung vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dann erschüttert sein kann, wenn die Dauer der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfasst.
Der Schutz des Arbeitgebers vor Fake-Attesten wird durch dieses Urteil des Bundesarbeitsgerichts zwar verbessert, löst das Problem der Arbeitgeber jedoch nur ansatzweise.

Problemstellung

Arbeitgeber sehen sich häufig damit konfrontiert, dass Arbeitnehmer sich nach einer Kündigung krankmelden. Wird eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt, hat der Arbeitgeber häufig keine Chance die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu vermeiden, auch wenn berechtigte Zweifel bestehen, ob der Arbeitnehmer tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt ist. Der Schutz des Arbeitgebers vor Fake-Attesten besteht nur sehr eingeschränkt.

Sachverhalt

In dem der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zugrunde liegenden Fall kündigte eine kaufmännische Angestellte ihr Arbeitsverhältnis bei einer Personalvermittlungsfirma am 8. Februar 2019 mit Wirkung zum 22. Februar 2019. Gleichzeitig mit ihrer Kündigung legte sie ein ärztliches Attest vor, wonach sie genau vom 8. bis 22. Februar 2019 arbeitsunfähig erkrankt sei.
Der Arbeitgeber leistete für die Zeit vom 8. bis 22. Februar 2019 keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Er bezweifelte die Richtigkeit des ärztlichen Attests und die darin bescheinigte Arbeitsunfähigkeit.
Das Arbeitsgericht Braunschweig hat der Klage der Mitarbeiterin auf Entgeltfortzahlung stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Arbeitgebers wurde vom LAG Niedersachsen mit Urteil vom 13. Oktober 2020 (Az.: 10 Sa 619/19) zurückgewiesen.

Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht hat das Urteil des LAG Niedersachen aufgehoben und die Klage auf Entgeltfortzahlung abgewiesen.
Nach allgemeinen Grundsätzen muss der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit darlegen und beweisen.  Einer ordnungsgemäß ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt dabei ein hoher Beweiswert zu. Der Arbeitgeber kann diesen Beweiswert aber erschüttern, in dem er tatsächliche Umstände darlegt und im Bestreitensfall beweist, die Zweifel an der Erkrankung des Arbeitnehmers ergeben. Der Arbeitgeber muss nicht beweisen, dass der Arbeitnehmer nicht erkrankt war.
Das Bundesarbeitsgericht sah im konkreten Fall den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als erschüttert an. Aufgrund der „zeitlichen Koinzidenz zwischen bescheinigter Arbeitsunfähigkeit sowie Beginn und Ende der Kündigungsfrist“ gibt es laut BAG „ernsthafte Zweifel am Bestehen der Arbeitsunfähigkeit“.
Da der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert ist, trägt wiederum die Klägerin die volle Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Die Klägerin hätte konkrete Tatsachen darlegen und im Bestreitensfall – ggf. unter Entbindung des behandelnden Arztes von der Schweigepflicht – beweisen müssen, die den Schluss auf eine in der streitgegenständlichen Zeit bestehende Erkrankung zulassen. Da die Klägerin dem nicht nachkommen ist, hat das Bundesarbeitsgericht ihre Klage auf Entgeltfortzahlung abgewiesen.

Praxishinweise

Zwar stärkt die Entscheidung die Rechte des Arbeitgebers gegenüber „Blaumachern“ und den Schutz des Arbeitgebers vor Fake-Attesten. Dieser Schutz des Arbeitgebers vor Fake-Attesten bleibt aber dennoch sehr begrenzt.
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zeigt einerseits auf, dass auch bei Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht zwingend Entgeltfortzahlung geleistet werden muss.
Andererseits darf das Urteil nicht überbewertet werden. Keinesfalls kann ihm entnommen werden, dass nie eine Entgeltfortzahlung zu leisten ist, wenn ein ärztliches Attest „passgenau“ die verbleibende Kündigungsfrist abdeckt. Vielmehr kommt einem ärztlichen Attest nach wie vor ein sehr hoher Beweiswert zu, den der Arbeitgeber im Prozess nur schwer erschüttern kann.
Selbst wenn der Beweiswert im Einzelfall erschüttert ist, bleibt dem/der Arbeitnehmer:in die Möglichkeit, den Beweis der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit anderweitig als durch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu führen. Es bleibt also trotz des Urteils dabei, dass der Schutz des Arbeitgebers vor „Fake-Attesten“ nur unzureichend besteht.

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