Haften Sender wie „Plattformen“?

Haften Sender wie „Plattformen“?

Autor
Dr. Lorenz Haidinger
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Wenn von der „Plattformhaftung“ die Rede ist, meint dies regelmäßig die Frage nach der Haftung für die Verletzung von Urheber- oder Markenrechten im Internet. In Betracht kommt sowohl eine Haftung des Betreibers der Internetseite, auf der die Rechtsverletzung begangen wird, als auch eine Haftung von Unternehmen, die den Zugang zu der rechtsverletzenden Internetseite ermöglichen. Das OLG Köln (vgl. Urteil vom 30.10.2020, Az. 6 U 47/20) hat sich nun im Bereich des Wettbewerbsrechts mit der Frage beschäftigt, ob Sender wie zugangsvermittelnde Plattformen haften können.

Sachverhalt

Das OLG Köln befasste sich mit der Frage der Unlauterkeit der Ausstrahlung von Werbung für Glücksspielangebote: Geklagt hatte ein Verband, der unter anderem die Interessen seiner Mitglieder im Glücksspielrecht und im Wettbewerbsrecht vertritt und dem auch die Landeslotteriegesellschaften angehören. Die Klage richtete sich gegen die Holdinggesellschaft von RTL, RTL plus, RTL nitro, VOX und n-tv. Die Werbung dieser Sender wurde zentral über eine gesonderte Gesellschaft vermarktet. Die beklagte Holdinggesellschaft erbrachte für die Konzerngesellschaften jedoch Serviceleistungen, etwa im Bereich von Steuer- und Rechtsberatung.

Im Zeitraum von Juni 2018 bis Februar 2019 bzw. Juni 2019 strahlten Sender der RTL-Gruppe Werbespots für die Internetseiten www.onlinecasino.de, www.drückglück.de, www.wunderino.de und www.mrgreen.de aus. Nutzern wird auf diesen Internetseiten gegen Entgelt die Teilnahme an Online-Spielen mit Gewinnchancen angeboten, wobei hierfür eine Registrierung und die Einzahlung von Geldbeträgen auf ein virtuelles Konto ermöglicht wird. Auf der Seite mrgreen.de ist eine Teilnahme auch ohne die Einzahlung von Geldbeträgen möglich. Die Anbieter der Seiten verfügten über eine Lizenz des Landes Schleswig-Holstein für die Veranstaltung von Online-Casinospielen, die jeweils zum 18.12.2018 bzw. zum 07.02.2019 auslief und in eine längstens bis zum 30.06.2021 befristete Duldung überführt wurde.

Daneben finden sich Angebote zur Teilnahme an Online-Casino- und Automatenspielen gegen Entgelt auf folgenden Seiten: www.onlinecasino-eu.com, www.drueckglueck.com, www.wunderino.com und www.mrgreen.com. Die Betreiber dieser Seiten sitzen auf Malta und verfügen über keine deutsche Glücksspiellizenz.

Der Kläger informierte die Beklagte am 23.01.2019 darüber, dass dieser die Bewerbung der Angebote www.onlinecasino.de, www.drückglück.de und www.wunderino.de für unlauter halte. Am 18.02.2019 erfolgte die Abmahnung, am 18.03.3019 gab die Beklagte eine modifizierte Unterlassungserklärung ab. Am 04.07.2019 mahnte der Kläger die Beklagte erfolglos bezüglich der Ausstrahlung der Werbung für www.mrgreen.de ab.

Entscheidung

Das OLG Köln bejahte einen Anspruch des Verbands gegen die RTL-Holdinggesellschaft auf Unterlassen der Bewerbung nicht erlaubter Glücksspiele, insbesondere Online-Casino- und Automatenspiele, nach §§ 8 Abs. 1, 3a UWG in Verbindung mit § 5 Abs. 5 GlüStV.

Der Kläger sei aktivlegitimert (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG). Es bestehe zwischen dem Verband von Glücksspielunternehmen und der RTL-Holdinggesellschaft ein konkretes Wettbewerbsverhältnis in Form eines „mittelbaren Wettbewerbsverhältnisses“. Die Ausstrahlung von Werbung fördere kommerziell die Stellung der Sender. Dies gelte gerade in dem Bereich eines behaupteten Verstoßes gegen Marktverhaltensnormen. Das OLG Köln führt insoweit aus: „Gerade in solchen Konstellationen sind die Vermittler der Werbung, also Rundfunk, Presse oder sonstige Medienunternehmen, typischerweise Beteiligte des Wettbewerbsverstoßes, sei es, weil sie Verkehrspflichten verletzen, sei es, weil sie Teilnehmer eines behaupteten Verstoßes sind.“

In der ausgestrahlten Werbung liege ein UWG Verstoß nach § 3a UWG in Verbindung mit § 5 Abs. 5 GlüStV. Die Werberegeln des Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV) seien Marktverhaltensregeln im Sinne des § 3a UWG. Ein Verletzung des § 5 Abs. 5 GlüStV liege vor. Von der Werbewirkung seien nicht nur die direkt beworbenen „de“-Angebote erfasst, sondern auch die mit nahezu gleichlautenden Domainnamen agierenden „com“-Angebote. Diese Angebote verfügten über keine deutsche Glücksspiellizenz. Es handle sich daher um unerlaubtes Glücksspiel, das nicht beworben werden dürfe (vgl. § 4 Abs. 1, 5 Abs. 5 GlüstV).

Dieser Verstoß ist nach Ansicht des OLG Köln der RTL-Holdinggesellschaft zuzurechnen.

Zwar gelte auch im UWG das sog. „Anzeigeprivileg“, wonach Medienanbieter nur für grobe und eindeutige, unschwer erkennbare Verstöße haften. Daher seien die Prüfpflichten des Medienanbieters auf offensichtliche Verstöße beschränkt. Diese Prüfpflichten wurden durch das Schreiben vom 23.01.2019 bzw. durch das Abmahnschreiben von 18.02.2019 ausgelöst. Die Abgabe einer modifizierten Unterlassungserklärung zeige zudem, dass die RTL-Holdinggesellschaft eine Prüfung auch tatsächlich vorgenommen habe.

Die Verletzung dieser Prüfpflichten der Tochterunternehmen ist der RTL-Holdinggesellschaft zuzurechnen. Der eigene Verhaltensbeitrag liege darin, „dass wettbewerbliche Verhaltenspflichten, welche an sich zunächst die werbenden Rundfunksender treffen, auf die Beklagte ausgelagert waren“. Aufgrund einer konzerninternen Aufgabenverteilung habe die RTL-Holdinggesellschaft die wettbewerbliche Prüfpflicht bezüglich der Unlauterkeit der ausgestrahlten Werbung getroffen. Das OLG Köln führt insoweit aus: „Die bisherigen Entscheidungen zu solchen Prüf- und dadurch ausgelösten Handlungspflichten betrafen die Prüfpflichten von Intermediären, z.B. Plattformbetreibern. Das Konzept ist aber hierauf nicht beschränkt. Es kann insbesondere auch die Werbung verbreitenden Medienveranstalter treffen.“

Hinweis für die Praxis

Die Entscheidung des OLG Köln ist noch nicht rechtskräftig, da das OLG Köln die Revision zum BGH zugelassen hat. Sollte die Entscheidung Bestand haben, könnten Sender aber auch alle anderen Medienunternehmen wie zugangsvermittelnde Plattformen für Rechtsverletzungen Dritter in ihren Angeboten haften – auch und gerade in der von ihnen verbreiteten Werbung. Das finanzielle Risiko erscheint insoweit nicht unerheblich: Der Streitwert in dem Verfahren vor dem OLG Köln lag bei 1,6 Millionen Euro.

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