Ist ein kurzer Text wie die Überschrift „Wir sind Papst“ durch das Urheberrecht geschützt?

Ist ein kurzer Text wie die Überschrift „Wir sind Papst“ durch das Urheberrecht geschützt?

Autor
Marco Erler
Marco Erler Rechtsanwalt
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Zertifizierter Jugendschutzbeauftragter
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Seit jeher beschäftigen sich die Gerichte mit der Frage, ob kurze Texte im Sinne des Urheberrechts schutzfähig sein können. Kurze Texte eröffnen nämlich weniger Möglichkeiten für den Gestaltungsspielraum in dem sich die Individualität des Urhebers entfalten kann, damit es sich beim Text im Ergebnis um eine urheberrechtlich geschützte Schöpfung gemäß § 2 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz (UrhG) handelt. Bereits 1934 musste sich das OLG Köln hiermit wegen des Slogans „Biegsam wie ein Frühlingsfalter bin ich im Forma-Büstenhalter“ auseinandersetzen und bestätigte den Schutz nach dem UrhG (GRUR 1934, 758, 759). Es folgten weitere Entscheidungen zu kurzen Texten, in denen der Urheberechtsschutz bejaht wurde,  wie insbesondere „Ein Himmelbett als Handgepäck“ (OLG Düsseldorf DB 1964, 617), „Heute bleibt die Küche kalt, wir gehen in den Wienerwald“ (OLG München, Urt. v. 10.1.1969 – Az. 6 U 1778/68), „Vom Ernst des Lebens halb verschont ist der schon, der in München wohnt“ (OLG München ZUM 2009, 970) und „Mögen hätte ich schon wollen, aber dürfen habe ich mich nicht getraut“ (LG München I GRUR-RR 2011, 447 – Karl Valentin-Zitat). Abgelehnt wurde insbesondere der Urheberechtsschutz bei den Texten „Ich trinke Jägermeister, weil …“ (OLG München, Urt. v. 6.7.1978 – Az. 6 U 3558/77) und “Hier ist DEA – hier tanken Sie auf“ (OLG Hamburg ZUM 2001, 240). Jüngst musste sich das OLG Hamburg wieder mit der Frage auseinandersetzen, weil die bekannte Bild-Zeitungs-Überschrift „Wir sind Papst“ nach Auffassung des Axel Springer Verlages im Internet rechtswidrig genutzt wurde.

Sachverhalt

Der Axel Springer Verlag reichte als Antragstellerin in Hamburg gegen den Betreiber einer Internetplattform (Antragsgegnerin) einen Antrag auf einstweilige Verfügung ein, da über dessen Plattform ein Foto mit der haushohen Abbildung einer Bild-Ausgabe samt Artikelüberschrift „Wir sind Papst“ zum Abruf angeboten wurde. Der Betreiber der Plattform bot neben dem vorgenannten Foto auch noch andere Fotos zum Erwerb durch seine Kunden an. Die Fotos stellen Fotografen in die Plattform ein. Das LG Hamburg gab dem Antrag der Antragstellerin statt und Verbot die Nutzung des Textes „Wir sind Papst“.

Entscheidung

Das OLG Hamburg bestätigte die Entscheidung des LG Hamburg und verbot die Nutzung des Textes „Wir sind Papst“ gemäß §§ 97 Abs. 1, 19a UrhG.

Zunächst stellt das Gericht fest, dass die Antragsgegnerin als Täter für das Angebot der Fotos verantwortlich sei, da sie sich die von den Fotografen eingestellten Inhalte zu eigen gemacht habe. Sie habe nämlich die Fotos an Kunden ihrer Plattform vertrieben und sei dabei als Verkäuferin dieser Fotos aufgetreten. Nach der Rechtsprechung des BGH handele es sich bei den Fotos weiter aufgrund des Zueigenmachens auch um eigene Informationen, weshalb eine Haftungsprivilegierung nach den – mittlerweile aufgehobenen – §§ 7 bis 10 TMG (siehe nunmehr unter anderem § 7 DDG und Art. 6 DSA) keine Anwendung finde (hierzu BGH GRUR 2010, 616 Rn. 22 – marionskochbuch.de).

Weiter führt das OLG Hamburg aus, dass der Überschrift „Wir sind Papst“ Urheberechtsschutz zukomme. Auch bei kurzen Texten gelte der Grundsatz „der kleinen Münze“, wonach die Anforderungen an die Schutzfähigkeit nicht zu hoch anzusetzen seien. Gleichwohl bedarf es auch bei kurzen Texten eines hinreichenden schöpferischen Eigentümlichkeitsgrads, der anhand des geistig-schöpferischen Gesamteindrucks der konkreten Gestaltung zu bemessen sei. Der Text müsse sich also von anderen Texten wegen seiner Individualität abheben. Bei kurzen Texten könne sich dies aus Neologismen, also aus erfundenen Worten, oder aus der Vermittlung von Doppeldeutigkeit durch ein Wortspiel oder durch eine anderweitig individuelle Aussage ergeben.

Das OLG Hamburg hob bei der Bewertung des Textes „Wir sind Papst“ hervor, dass es sich hierbei um die prägnante Zusammenfassung der Papstwahl und der damit zusammenhängenden Überraschung sowie Freude der Deutschen im Zusammenhang mit der Wahl eines deutschen Papstes handele. Dies weise die Individualprägung durch den Urheber aus, der das Identifikationsgefühl in der Bevölkerung durch die Überschrift ausgedrückt habe. Hierbei habe er sich weiter des Stilmittels „totum pro parte“ bedient; er fasste also die wichtigsten Aussagen des der Überschrift zugehörigen Artikels in der Überschrift zusammen. Weiter stellte das Gericht heraus, dass neben den vorgenannten Argumenten auch die Anerkennung eines Textes in Fachkreisen als Indiz für den Urheberechtsschutz sprechen könne. Die Gesellschaft für deutsche Sprache vergab im Jahr 2006 für die Schlagzeile „Wir sind Papst“ den zweiten Platz unter den zehn Wörtern des Jahres 2005 und im Jahr 2006 verlieh der Art Directors Club Deutschland für die Überschrift den Kreativpreis. Letztlich wies das Gericht darauf hin, dass die Überschrift sich auch ausreichend von anderen „Wir sind …“-Texten wie „Wir sind das Volk“ und „Wir sind Weltmeister“ abhebe. So könne „Wir sind Weltmeister“ auch umgetextet werden in „Deutschland ist Weltmeister“, ohne dadurch den Sinn zu verlieren. Bei „Wir sind Papst“ sei dies aber nicht der Fall, da „Deutschland ist Papst“ nicht die beabsichtigte Darstellung der unschuldigen Freude ohne Überheblichkeit aufzeige.

Das Gericht kam unter Berücksichtigung der vorgenannten Argumente zu dem Ergebnis, dass der Text „Wir sind Papst“ urheberechtlich geschützt sei und damit das Angebot der Fotos mit dem Text über die Plattform der Antragsgegnerin die Rechte der Antragstellerin gemäß §§ 97, 19a UrhG verletze.

Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung des OLG Hamburg ist deshalb so beachtlich, da Texte mit nur drei Wörtern ohne eine phantasievolle Gestaltung bislang eher nicht als schutzfähig galten. Das Gericht hat vorliegend aber den Urheberrechtsschutz wegen der Besonderheit des Textes bejaht. Aufgrund des angewendeten Stilmittels „totum pro parte“, wonach die wichtigsten Aussagen eines Artikels in der Überschrift zusammengefasst werden, und der Aufnahme des Gefühls der Deutschen im Text, hat es den Schutz der preisgekrönten und in Fachkreisen gelobten Überschrift bejaht.

Es wäre nun aber falsch, davon auszugehen, dass kurze Texte mit wenigen Wörtern per se geschützt sind. Es wird vielmehr stets auf den Einzelfall ankommen, ob derart kurze Texte aufgrund deren Individualität die erforderliche Schöpfungshöhe nach § 2 Abs. 1 UrhG erreichen und damit geschützt sind. Bei der Überschrift „Wir sind Papst“ dürfte es sich eher um eine Ausnahme handeln, da der Gestaltungsspielraum bei drei Wörtern, die für sich genommen nicht phantasievoll gestaltet sind, regelmäßig zu gering sein wird.

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