Die Figur des vertrauenswürdigen Hinweisgebers im Digital Services Act

Die Figur des vertrauenswürdigen Hinweisgebers im Digital Services Act

Autor
Dr. Kerstin Bäcker
Dr. Kerstin Bäcker Rechtsanwältin, Partnerin
Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht
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Am 20.1.2022 hat das EU-Parlament seinen Text zum Vorschlag für eine Verordnung über einen Binnenmarkt für digitale Dienste (Gesetz über digitale Dienste) und zur Änderung der RL 2000/31/EG angenommen. Es wird nun in den Trialog treten, um zu einer finalen Fassung für den zukünftigen Digital Services Act (DSA) zu gelangen.

Kapitel III des Digital Services Act widmet sich den „Sorgfaltspflichten für ein transparentes und sicheres Online-Umfeld“. Darin findet sich Artikel 19 zum „vertrauenswürdige Hinweisgeber“. Was genau steckt hinter dieser Figur? Und in welchem Zusammenhang spielt sie eine Rolle?

Etabliert wird der vertrauenswürdige Hinweisgeber im Bereich der von Online-Plattformen im Hinblick auf illegale Inhalte einzurichtenden Melde und Abhilfeverfahren („Take-Down-Notices“). Ausgenommen sind lediglich Online-Plattformen, bei denen es sich um Kleinst- oder Kleinunternehmen im Sinne des Anhangs der Empfehlung 2003/361/EG handelt.

Was ist unter einem vertrauenswürdigen Hinweisgeber zu verstehen?

Dabei handelt es sich um Stellen, ausdrücklich nicht Einzelpersonen (siehe Erwägungsgrund 46 des DSA), die kumulativ folgende vom Gesetzgeber in Artikel 19 Abs. 2 DSA aufgestellte Bedingungen zu erfüllen haben. Konkret muss die Stelle (1) über besondere Sachkenntnis und Kompetenz in Bezug auf die Erkennung, Feststellung und Meldung illegaler Inhalte verfügen und in ihrem ausgewiesenen Fachbereich tätig sein; (2) kollektive Interessen vertreten und unabhängig von jeder Online-Plattform sein; (3) ihre Tätigkeiten zur Übermittlung von Meldungen illegaler Inhalte in präziser und objektiver Weise ausüben; (4) über transparente Finanzierungsstrukturen verfügen; sowie (5) mindestens einmal jährlich einen Bericht über die im Vorjahreszeitraum getätigten Take-Down-Notices veröffentlichen, der gewisse Mindestanforderungen zu erfüllen hat.

Laut Erwägungsgrund 46 kann es sich dabei „um öffentliche Stellen handeln, bei terroristischen Inhalten etwa die Meldestellen für Internetinhalte der nationalen Strafverfolgungsbehörden oder der Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung (Europol), oder um Nichtregierungsorganisationen und halböffentliche Stellen, etwa Organisationen, die Teil des INHOPE-Meldestellennetzes zur Meldung von Material über sexuellen Kindesmissbrauch sind, oder Organisationen für die Meldung illegaler rassistischer und fremdenfeindlicher Darstellungen im Internet. Bei Rechten des geistigen Eigentums könnten Branchenorganisationen und Organisationen von Rechtsinhabern den Status eines vertrauenswürdigen Hinweisgebers erhalten, sofern sie nachgewiesen haben, dass sie die geltenden Bedingungen erfüllen.“

Wie qualifiziert man sich als vertrauenswürdiger Hinweisgeber?

Auf Antrag und Nachweis sämtlicher oben genannter Bedingungen sowie Zuerkennung des Status vom Koordinator für digitale Dienste des Mitgliedsstaats, in dem der Antragsteller seine Niederlassung hat (Artikel 19 Abs. 2 DSA). Der Status wird grundsätzlich für einen Zeitraum von zwei Jahren verliehen und ist erneuerbar (Artikel 19 Abs. 3 S. 1 DSA). Anerkannte Hinweisgeber werden von der Kommission in einer öffentlich zugänglichen Datenbank veröffentlicht und laufend aktualisiert (Artikel 19 Abs. 4 DSA). Der Status des vertrauensvollen Hinweisgebers kann vom Koordinator digitaler Dienste widerrufen werden, wenn er von Amts wegen oder auf Grund entsprechender Informationen der Online-Plattformen oder seitens Dritter feststellt, dass die betreffende Stelle die oben genannten Bedingungen nicht mehr erfüllt (Artikel 19 Abs. 6 DSA).

Welche Vorteile bringt die Rolle des vertrauenswürdigen Hinweisgebers mit sich?

Meldungen, die von einem vertrauenswürdigen Hinweisgeber übermittelt werden, sind nach Art. 19 Abs. 1 vorrangig und zügig zu bearbeiten und darüber zu entscheiden.

Bewertung

Das Institut des vertrauenswürdigen Hinweisgebers kann geeignet sein, Abhilfe bei illegalen Inhalten zu beschleunigen und zuverlässiger auszugestalten. In der Praxis beleibt abzuwarten, ob das Institut zur Folge haben kann, dass Take-Down-Verlagen von nicht vertrauenswürdigen Hinweisgebern an Schlagkraft und Durchsetzungsvermögen verlieren.

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