Anklage eines Redakteurs wegen Verlinkung auf verbotene Webseite, rechtswidrige Durchsuchungen und der Umgang mit § 353d Nr. 3 StGB – Ein Konflikt zwischen Strafrecht und Pressefreiheit in vielerlei Hinsicht

Anklage eines Redakteurs wegen Verlinkung auf verbotene Webseite, rechtswidrige Durchsuchungen und der Umgang mit § 353d Nr. 3 StGB – Ein Konflikt zwischen Strafrecht und Pressefreiheit in vielerlei Hinsicht

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Marei Adam
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Mit Beschluss vom 16. Mai 2023 entschied das Landgericht Karlsruhe, dass die Anklage gegen einen Redakteur wegen Verlinkung auf eine verbotene Webseite nicht zugelassen wird. Dieser Beschluss wurde von Arne Semsrott (Journalist und Projektleiter der Informationsplattform „FragdenStaat“) veröffentlicht, der dadurch wiederum – bewusst – eine Strafbarkeit nach § 353d Nr. 3 StGB riskiert. Gegen den Beschluss des LG Karlsruhe hatte die Staatsanwaltschaft erfolgreich Beschwerde eingelegt; das OLG Stuttgart hat die Anklage gegen den Redakteur doch noch zugelassen. Immerhin wurde nun festgestellt, dass sowohl die Beschlagnahme von Daten als auch die Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Karlsruhe betreffend die Redaktionsräume rechtswidrig sind. Ein Konflikt zwischen Strafrecht und Pressefreiheit in vielerlei Hinsicht.

Zum Sachverhalt

Beschuldigter ist ein Redakteur des linksalternativen Senders Radio Dreyeckland (RDL). Der Radiosender berichtete im Juli 2022 über das Verbot einer Plattform („linksunten.indymedia“), dessen dahinter stehender Verein vom BMI als linksextremistisch eingestuft wurde. Das Verbot geht auf Krawalle am Rande des G20-Gipfels in Hamburg im Jahre 2017 zurück. Auf der Webseite sei öffentlich zur Begehung von Gewaltstraftaten gegen die Polizei und politische Gegner sowie zu Sabotageaktionen aufgerufen worden.

Im Zusammenhang mit der Online-Berichterstattung verlinkte der Radiosender auf die Archivseite dieser Plattform, woraufhin die Staatsanwaltschaft dem Redakteur die Unterstützung einer verbotenen Vereinigung (vgl. § 85 Abs. 2 StGB) vorwarf und Anklage gegen ihn erhob. Das Amtsgericht Karlsruhe ordnete die Durchsuchung der Redaktionsräume sowie der Wohnungen zweier Redakteure des Radiosenders an; es wurden mehrere Laptops mit umfangreicher redaktioneller Kommunikation beschlagnahmt. Hiergegen wurden Beschwerden eingelegt.

Entscheidung(en)

Zunächst hatte das LG Karlsruhe das Hauptverfahren gegen den Redakteur nicht eröffnet (vgl. § 203 f. StGB), da es eine Verurteilung für zu unwahrscheinlich hielt: Zum einen setze der Straftatbestand der Unterstützung einer verbotenen Vereinigung voraus, dass diese überhaupt noch existiere, was vorliegend bereits fraglich sei. Zum anderen würde es sich um eine zulässige Presseberichterstattung handeln. Auf das Archiv der Webseite sei im gegenständlichen Fall nach dem Gesamteindruck nur zu Dokumentationszwecken verlinkt worden. Strafnormen müssten stets mit Blick auf die Presse- und Rundfunkfreiheit ausgelegt werden; die Staatsanwaltschaft hätte diesbezüglich ein problematisches Verständnis dieser Grundrechte an den Tag gelegt.

Im Juni wurde die Anklage gegen den Redakteur vom Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart aber doch zugelassen. Der Verdacht gegen den Redakteur sei hinreichend.

Was die eingelegten Beschwerden zu den Durchsuchungs- und Beschlagnahmemaßnahmen angeht, so stellte das LG Karlsruhe (Az.: 5 Qs 1/23) nun fest, dass drei Durchsuchungsbeschlüsse des AG Karlsruhe rechtswidrig sind, ebenso wie die Beschlagnahme von Daten. Die Beschlüsse seien nicht ausreichend begründet und hielten den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht stand. Zudem folge eine Unverhältnismäßigkeit der Durchsuchungen aus einer unzureichenden Berücksichtigung der von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gewährleisteten Presse- und Rundfunkfreiheit, etwa im Hinblick auf Einschüchterungseffekte. Die Bereitschaft, kritisch über staatliche Angelegenheiten zu berichten, könne beeinträchtigt werden; Gleiches gelte auch für das Vertrauensverhältnis zwischen der Medienanstalt und Informanten.

Das „Dilemma“ der Presse im Umgang mit einigen Strafvorschriften

Die ursprüngliche Nichteröffnung des Hauptverfahrens war ein starkes und wichtiges Signal des Landgerichts, das damit bereits in einem frühen Stadium auf das Grundrecht der Pressefreiheit und die in diesem Zusammenhang zu berücksichtigende Auslegung von Strafvorschriften verwies. Dieses Signal wurde wieder relativiert. Unabhängig von dem Ausgang des Strafverfahrens gegen den Redakteur von RDL hat die nun endgültige Eröffnung des Hauptverfahrens die enorme Abschreckungswirkung und das große Unsicherheitsgefühl bei der Auslegung unbestimmter Strafvorschriften seitens der Presse nur verstärkt, was kritisch zu hinterfragen ist. Entsprechendes gilt für die Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse. Trotz inzwischen festgestellter Rechtswidrigkeit ist eine Abschreckungswirkung mit Blick auf die gravierenden Grundrechtseingriffe bereits irreversibel entstanden.

Fast schon ironisch ist es, dass nun auch derjenige, der u.a. den Beschluss des LG Karlsruhe anonymisiert auf „FragdenStaat“ veröffentlichte, um den – temporären – Erfolg für die Pressefreiheit anhand der Entscheidung präzise darzulegen, selbst eine Strafbarkeit nach § 353d Nr. 3 StGB riskiert. § 353d Nr. 3 StGB ist in vielerlei Hinsicht umstritten und enthält einige unbestimmte Tatbestandsmerkmale, die es insbesondere für Journalist:innen schwierig machen, die Grenze zur Strafbarkeit abschätzen zu können. Dies wurde erst kürzlich in einem wegweisenden und die Pressefreiheit stärkenden Urteil des Bundesgerichtshofs festgestellt. In dem zugrundeliegenden Fall erachtete der BGH bereits die Heranziehung als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 StGB als unzulässig (unseren Blogbeitrag zu dieser Entscheidung finden Sie hier). Jedenfalls veranschaulichen all diese ineinandergreifenden Themen das „Dilemma“ der Presse im Umgang mit einigen Strafvorschriften.

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