
Unter welchen Voraussetzungen ist eine Druckkündigung wirksam möglich?

Nicht selten sehen sich Arbeitgeber mit der Situation konfrontiert, dass ihre Beschäftigten mit einem unliebsamen Kollegen nicht weiter zusammenarbeiten möchten und dessen Entlassung fordern. Auch das LAG Nürnberg hatte über eine solche Situation in seinem aktuellen Urteil vom 12. Dezember 2023 (Az. 7 Sa 61/23) zu entscheiden. Die Maßstäbe, die dabei an eine solche Druckkündigung zu stellen sind, sind denkbar streng.
Sachverhalt
Bereits seit 2005 bestanden wiederholte Unstimmigkeiten zwischen der Klägerin und anderen Mitarbeitenden der Beklagten. Diese Unstimmigkeiten führten zum Teil so weit, dass bereits eine Mitarbeiterin den Arbeitsplatz wechselte und der Leiter des Labors die Leitung abgab. In den Jahren von 2019 bis 2021 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Nachdem 2021 im Unternehmen bekannt wurde, dass die Klägerin an ihren Arbeitsplatz zurückkehren werde, wandten sich einige Mitarbeitende an den Geschäftsführer. Sie brachten vor, dass eine Zusammenarbeit mit der Klägerin unter anderem wegen psychischen Drucks und manipulativen Agierens nicht möglich sei.
Die Beklagte befragte daraufhin zwölf Mitarbeitende, von denen acht zu Angaben bereit waren. Fast alle Mitarbeitenden gaben an, dass eine weitere Zusammenarbeit mit der Klägerin für sie nicht vorstellbar sei, und viele gaben an, dass sie sich bei einer Rückkehr der Klägerin anderweitig umsehen werden und mit einem Anstieg an Kündigungen und Krankmeldungen rechneten.
Die Beklagte bot der Klägerin daraufhin die Beschäftigung in einem 90km entfernten Labor an. Dies lehnte die Klägerin ab. Die Beklagte sprach deshalb eine Änderungskündigung mit dem Angebot der Beschäftigung in dem 90km entfernten Labor aus und stellte die Klägerin frei. Die Klägerin nahm das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung an und erhob Kündigungsschutzklage. Der Arbeitgeber bot während der Dauer des Kündigungsschutzprozesses erneut eine Beschäftigung in dem 90km entfernten Labor an. Dies lehnte die Klägerin aber ab und erhob Klage auf Annahmeverzugslohn. Die Klage war in erster Instanz erfolgreich.
Entscheidungsgründe: Unwirksamkeit der Druckkündigung
Auch die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil hatte keinen Erfolg. Das BAG stellt nämlich strenge Anforderungen an die Wirksamkeit einer Druckkündigung. Der Arbeitgeber muss sich vor Ausspruch der Kündigung schützend vor den Arbeitnehmer stellen und alles Zumutbare versuchen, um die Belegschaft von ihrer Drohung abzubringen. Dabei ist aktives Handeln erforderlich, das darauf gerichtet ist, den Druck abzuwehren. Der Arbeitgeber muss insbesondere deutlich machen, dass aus seiner Sicht kein objektiver Anlass für die Kündigung besteht. Nicht ausreichend ist hingegen, wenn der Arbeitgeber lediglich Gespräche mit den drohenden Mitarbeitenden führt oder zwischen den Mitarbeitenden moderiert.
Nach diesen Vorgaben beurteilte das LAG Nürnberg die Bemühungen der Beklagten als nicht ausreichend. Der Arbeitgeber habe hier die Mitarbeitenden nur befragt, nicht aber aktiv auf sie eingewirkt. Insbesondere habe der Arbeitgeber seine Mitarbeitenden nicht darum gebeten, die Zusammenarbeit mit der Klägerin künftig wenigstens auszuprobieren. Zudem hat die Beklagte keinen Hinweis darauf gegeben, dass aus Sicht der Beklagten kein objektiver Anlass zur Kündigung bestand. Die Beklagte unternahm auch keinen Versuch, den Druck von der Klägerin zu nehmen, und nahm nach der Befragung keine schützende Haltung gegenüber der Klägerin ein, sondern sprach umgehend die Kündigung aus.
Die Klägerin hat ebenfalls einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn. Die Tätigkeit in dem 90km entfernten Labor während der Dauer des Kündigungsschutzprozesses ist nicht zumutbar. Deshalb lag kein böswilliges Unterlassen des Erwerbs im Sinne des § 615 Satz 2 BGB vor. Während des Berufsverkehrs für eine einfache Fahrt 90 Minuten aufzuwenden oder Arbeitszeiten zu wählen, die den Berufsverkehr meiden, ist auch nicht für einen vorübergehenden Zeitraum von mehreren Monaten zumutbar.
Praxishinweis
Das Urteil des LAG konkretisiert die strengen Vorgaben des BAG zu den Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Druckkündigung. Insbesondere wird konkretisiert, was es bedeutet, sich schützend vor seine Arbeitnehmer zu stellen. Das Urteil des LAG Nürnberg macht deutlich, dass ein aktives Handeln erforderlich ist und dass bloße Gespräche nicht ausreichen.
Arbeitgeber, die eine Druckkündigung aussprechen wollen, sollten daher unbedingt diese strengen Wirksamkeitsanforderungen vor Augen haben und zuvor ernsthafte Anstrengungen unternehmen, um den Druck abzuwehren. Für Arbeitgeber, die sich nicht ernsthaft schützend vor ihre Mitarbeiter stellen möchten, wird es künftig kaum möglich sein, eine wirksame Druckkündigung auszusprechen.