Keine Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Nutzung von ChatGPT

Keine Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Nutzung von ChatGPT

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Marlene Urek
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Das Arbeitsgericht Hamburg hatte in seinem Beschluss vom 16. Januar 2024, Az. 24 BVGa 1/24 darüber zu entscheiden, ob ein Recht auf Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Nutzung von ChatGPT besteht. Das Gericht verneinte im konkreten Fall ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Diese Entscheidung lässt sich allerdings nicht pauschal auf alle Betriebe übertragen.

Sachverhalt

Der Arbeitgeber wollte, dass seine Beschäftigten generative Künstliche Intelligenz (KI) als neues Werkzeug bei der Arbeit zur Unterstützung nutzen. Zu diesem Zweck erstellte der Arbeitgeber auch Leitlinien für die Nutzung von KI. Auf den Computern des Arbeitgebers wurden ChatGPT oder andere KI-Tools nicht installiert. Die Nutzung erfolgte stets mittels eines Webbrowsers. Der Arbeitgeber errichtete zudem keine Accounts für die Mitarbeitenden. Die Mitarbeitenden mussten sich selbst private Accounts auf dem Server des jeweiligen Herstellers des KI-Tools anlegen, wenn sie ChatGPT oder ein anderes KI-Tool nutzen wollten. Auch etwaige Kosten mussten die Mitarbeitenden selbst tragen.

Die Arbeitgeberin hatte daher keine Informationen, welche(r) ihrer Mitarbeitenden einen Account eingerichtet hat. Ebenso war nicht bekannt, wann, in welchem Zusammenhang und wie lange das Tool genutzt wurde und welche Informationen  gegenüber dem System preisgegeben wurden. Zur Nutzung des Webbrowsers existierte bereits eine Betriebsvereinbarung.

Der Betriebsrat forderte, dass der Arbeitgeber die Nutzung der KI-Tools untersagt, solange noch keine Betriebsvereinbarung zur Nutzung von KI getroffen worden ist. Der Betriebsrat machte insbesondere sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1, 6, 7 BetrVG geltend.

Rechtliche Würdigung: Keine Mitbestimmung des Betriebsrats

Das Arbeitsgericht Hamburg entschied, dass der Betriebsrat keinen Anspruch auf Beteiligung zur Nutzung von ChatGPT durch die Mitarbeitenden hat. Aus § 87 Abs. 1 BetrVG folgte im konkreten Fall keine Notwendigkeit für den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Nutzung von KI-Tools.

Das Erfordernis einer Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Nutzung von ChatGPT folgt nicht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, da die Nutzung von KI-Tools die Arbeitsleistung und nicht das Ordnungsverhalten der Mitarbeitenden im Betrieb betrifft. Eine konkrete Gefährdung ist laut Arbeitsgericht ebenfalls nicht erkennbar, sodass auch nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG keine Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Nutzung von ChatGPT zu erfolgen hat.

Ebenfalls kommt nach dem Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg auch ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG in diesem Fall nicht in Betracht. Die Aufzeichnung, die der Webbrowser bei der Nutzung von ChatGPT anfertigt, erfolgt bei sämtlichen Nutzungen des Webbrowsers und stellt daher keine Besonderheit der KI-Tools dar. Aufgrund der potentiellen Überwachung durch den Webbrowser wurde eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen, sodass insoweit das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bereits ausgeübt worden ist. Im Übrigen entsteht keine weitere Überwachungsmöglichkeit, die über diejenige des Webbrowsers hinausgeht. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Arbeitgeber keine Dienstaccounts zur Verfügung stellt. Auch eine Kennzeichnungspflicht für Werke, die mit Hilfe von KI erstellt worden sind, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Die technische Einrichtung selbst muss nämlich die Überwachung ermöglichen und nicht das Verhalten der Beschäftigten.

Praxishinweis

Der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg darf nicht vorschnell verallgemeinert werden. Insbesondere die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Nutzung von ChatGPT nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG kann nicht generell ausgeschlossen werden. Der vom Arbeitsgericht Hamburg zu beurteilende Sachverhalt wies nämlich einige Besonderheiten auf. Zum einen gab es bereits zum Browser eine Betriebsvereinbarung und zum anderen wurden die KI-Tools nicht installiert und es wurden keine Dienstaccounts zur Verfügung gestellt.

Da die Nutzung von KI-Tools durchaus Überwachungsmöglichkeiten bietet, ist ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG durchaus denkbar. Ein Mitbestimmungsrecht kann bestehen, wenn der Arbeitgeber und der Betriebsrat bislang noch keine Betriebsvereinbarung zur Nutzung von Webbrowsern abgeschlossen haben. Ebenso kann das Anlegen von Dienstaccounts eine potentielle Überwachungsmöglichkeit begründen. Es sind dabei stets die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen.

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