Design eines Papierspenders: Parallele Schutzfähigkeit als Gemeinschaftsgeschmacksmuster und Patent

Design eines Papierspenders: Parallele Schutzfähigkeit als Gemeinschaftsgeschmacksmuster und Patent

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Kim-Laura Linnenberg
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Dass für ein Erzeugnis ein technisches Schutzrecht beantragt oder erteilt wurde, steht der gleichzeitigen Schutzfähigkeit dieses Erzeugnisses als Gemeinschaftsgeschmacksmuster nicht entgegen.

Sachverhalt

Die Parteien vertreiben Spender für Verpackungspapiere. Hinsichtlich ihres Spenders ist die Klägerin Inhaberin eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters und eines Europäischen Patents.

Die Klägerin machte die Verletzung ihres Gemeinschaftsgeschmacksmusters geltend. Die Beklagte erkannte den Unterlassungsanspruch an, beantragte aber widerklagend die Nichtigkeit des Klagemusters.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die Klage als Berufungsgericht abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Als Argument führte es auf, dass alle Erscheinungsmerkmale des Klagemusters ausschließlich technisch bedingt seien. Es berief sich dabei vor allem darauf, dass die Merkmale auch in der Patentoffenlegungsschrift aufgeführt werden. Es sei bereits ein Indiz für die technische Bedingtheit der Erscheinungsmerkmale, dass diese zugleich Bestandteile des Europäischen Patents sind.

Entscheidung

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs kann dem Klagemuster die Schutzfähigkeit mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht abgesprochen werden. Der Bundesgerichtshof führt die Rechtsprechung des EuGH weiter, wonach für die Beurteilung, ob Erscheinungsmerkmale eines Erzeugnisses ausschließlich durch dessen technische Funktion bedingt sind, zu ermitteln ist, ob diese Funktion der einzige diese Merkmale bestimmende Faktor ist. Dabei sind alle objektiven Umstände zu würdigen.

Die Ansprüche, Beschreibungen und Zeichnungen einer Patentoffenlegungsschrift zählen zu diesen für den Einzelfall maßgeblichen objektiven Umständen, die zu würdigen sind. Es bestehe jedoch weder ein Erfahrungssatz noch eine tatsächliche Vermutung dafür, dass bei der Gestaltung von Erscheinungsmerkmalen, die für eine technische Funktion erforderlich sind, visuelle Erwägungen überhaupt keine Rolle gespielt haben.

Insbesondere erlaube das Fehlen von Erwägungen zur visuellen Erscheinung in einer Patentoffenlegungsschrift für sich nicht den Schluss auf die ausschließlich technische Bedingtheit eines Erscheinungsmerkmals. Es sei daher weiter auf der Tatsachenebene zu prüfen, ob außerhalb der Patentoffenlegungsschrift liegende Umstände auf eine visuelle Bedingtheit der Erscheinungsmerkmale hinweisen. Neben der Patentoffenlegungsschrift seien beispielsweise auch Inhalte von Werbeaussagen für das Klagemuster sowie Markterwartungen und alternative Gestaltungsformen für die gleiche technische Lösung berücksichtigungsfähig.

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Prüfung der technischen Bedingtheit zurückverwiesen.

Praxishinweis

Ein parallel bestehendes Patent zu einem Gemeinschaftsgeschmacksmuster ist ein Indiz für die technische Bedingtheit von Erscheinungsmerkmalen. Es müssen jedoch noch weitere objektive Umstände hinzukommen, um eine ausschließlich technische Bedingtheit der entsprechenden Erscheinungsmerkmale zu begründen.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs ist hier abrufbar.

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