Greenwashing durch die Claims „klimaneutral“ und „umweltneutrales Produkt“

Greenwashing durch die Claims „klimaneutral“ und „umweltneutrales Produkt“

Autor
Kim-Laura Linnenberg
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Werbeaussagen wie „klimaneutral“ erfreuen sich aktuell großer Beliebtheit. Verbraucher:innen sind immer sensibilisierter für das Thema Klimaschutz und lassen sich bei ihren Kaufentscheidung von entsprechenden Claims leiten. Die Drogeriemarktkette dm darf nun einige Produkte ihrer Eigenmarken nicht mehr mit den Begriffen „klimaneutral“ und „umweltneutrales Produkt“ bewerben.

Sachverhalt

Auf den Verpackungen von Produkten der Eigenmarken von dm wie Flüssigseife und Sonnenmilch fanden sich die Claims „klimaneutral“ (teilweise mit den Zusätzen „ClimatePartner.com/14938-2008-1001“ sowie „Produkt CO₂-kompensiert“) und „umweltneutrales Produkt“.

Dagegen klagte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und warf dm fehlende Transparenz und eine unzureichende Kompensation vor.

Entscheidung

Das LG Karlsruhe verurteilte dm zur Unterlassung der Bewerbung der Produkte mit den beiden Claims.

„Klimaneutral“

Die Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ sei bei zwei Produkten bereits zu unterlassen, weil dm den angesprochenen Verbraucher:innen wesentliche Informationen zum Verständnis dieses Begriffes vorenthalte.

dm hatte auf den Verpackungen lediglich darauf hingewiesen, dass die Produkte klimaneutral im Sinne von CO₂-kompensiert seien. Weitere Informationen dazu konnten Verbraucher:innen erst auf der Website der ClimatePartner GmbH erhalten.

Ein Verweis auf eine Internetseite sei zwar rechtlich zulässig. Dazu müsse der/die Verbraucher:in aber bereits auf der Verpackung erkennen können, dass eine solche Website existiert. Bei den zwei Produkten sei jedoch lediglich das Logo der ClimatePartner GmbH, der Schriftzug „ClimatePartner“ und eine längere Ziffernfolge zu finden.

Auch ein Hinzunehmen des Verweises auf die Website mache die Bewerbung mit dem Claim „klimaneutral“ nicht zulässig: Bei allen streitgegenständlichen Produkten sei die Werbung nach § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG zu unterlassen, da sie klimaneutrale Produkte verspreche. Dieses Versprechen könne aber nicht eingehalten werden. Der Claim erwecke bei den Verbraucher:innen vielmehr ein Verständnis, das nicht den Tatsachen entspreche: Diese erwarteten, dass die Kompensation von Emissionen eine Klimaneutralität auch tatsächlich – und dauerhaft – bewirkt.

Die Kompensation der produktbezogen emittierten Treibhausgase sollte hier durch Zahlungen in bestimmte Projekte erfolgen, unter anderem an ein Waldschutzprojekt. Die Verweildauer des CO₂ in der Atmosphäre gehe jedoch weit über die Laufzeit der Waldschutzprojekte hinaus. Eine dauerhafte CO₂-Bindung sei somit nicht gegeben.

Das produktbezogen emittierte Treibhausgas werde dadurch nicht dauerhaft bilanziell neutralisiert – dies genau sei jedoch die Erwartung der Verbraucher:innen. Die Bewerbung mit dem Claim „klimaneutral“ sei daher irreführend.

„Umweltneutrales Produkt“

Auch die Werbung mit dem Begriff „umweltneutral“ ist nach dem LG Karlsruhe zu unterlassen, weil sie überschießend und somit unzutreffend sei.

Das Gericht zieht eine Parallele zwischen den Begriffen „Klimaneutralität“ und „Umweltneutralität“ – beide Bezeichnungen dienten dazu, „Produkte mit ausgeglichener Umweltbilanz“ zu beschreiben.

Das von dm beworbene Produkt übernimmt den sogenannten GREENZERO-Ansatz. Die GREENZERO-Group hat einen Standard entwickelt, womit sich die Ökobilanz eines Produkts berechnen lässt. So kann ermittelt werden, welche Kosten für die Kompensation der Umwelteinwirkungen anfallen.

Das LG Karlsruhe weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der GREENZERO-Ansatz jedoch nur fünf von insgesamt 13 Wirkkategorien von Umweltbelastungen erfasse. Auch wenn die fünf erfassten Kategorien die höchsten Umweltkosten verursachten, würden acht Kategorien komplett außer Acht gelassen. Deshalb sei die Bewerbung als „umweltneutral“ verfrüht und überschießend.

Auf der Produktverpackung wurden mittels eines Sternchens jeweils am Produktrand im Kleindruck weitere Erläuterungen zu dem Begriff „umweltneutral“ gegeben. Demnach sei das Produkt durch Reduktion und Kompensation von Umwelteinwirkungen entstanden. Das Gericht urteilte, dass dm mit diesen Erläuterungen die unzutreffende Werbung nicht relativieren könne. Einerseits sei es schon fraglich, ob der/die Verbraucher:in die kleinen und am Rande positionierten Erläuterungen überhaupt finden werde. Andererseits verstärkten die Erläuterungen das fehlerhafte Verständnis eines „umweltneutralen Produkts“: Dem/Der Verbraucher:in werde suggeriert, dass das Produkt durch Reduktion und Kompensation von Umwelteinwirkungen vollständig umweltneutral sei. Dies treffe aber gerade nicht zu.

Praxishinweis

Bei Werbung mit Claims wie „klimaneutral“ ist weiterhin Vorsicht geboten. Insbesondere reicht es nicht aus, sich bei Werbung mit diesen Claims nur auf Kompensationsmaßnahmen Dritter zu berufen.

Zum ersten Mal wurde auch der Begriff „umweltneutral“ beleuchtet. Diesen wertet das LG Karlsruhe in einer Linie mit dem Begriff „klimaneutral“. Das LG Karlsruhe befand zu diesem Claim zudem, dass das Umweltzertifikat von GREENZERO keine Umweltneutralität darstelle, weil es nur fünf von 13 Kriterien berücksichtige.

Inwieweit private Zertifikate in Zukunft eine Rolle spielen, wird sich noch zeigen – zu diesen plant auch die Europäische Kommission aktuell eine neue Richtlinie, die Nachhaltigkeitszertifikate strenger regeln soll.

Das Urteil des LG Karlsruhe ist hier abrufbar. Die Drogeriemarktkette erwägt, Rechtsmittel einzulegen.

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